Der Polizeidiener Früher gab es in Lörzweiler einen Polizeidiener, der zeitgleich auch der Messner war. In früherer Zeit war dies der Polizeidiener Michel. Sein richtiger Name war Michael Hammer. Da die Kinder aber seinen richtigen Namen nicht wussten, war es für sie einfach „de Polizeidiener-Michel“. Er war auf der Bürgermeisterei die rechte Hand des Bürgermeisters. Ein schwarzes Brett gab es zu damaliger Zeit noch nicht in unserer Gemeinde. Hatte der Bürgermeister seinen Bürgern etwas mitzuteilen, nahm der Polizeidiener eine große Handschelle und ging ins Dorf. Er hatte seine festen Plätze in den Straßen zum Bekanntmachen seiner Aufträge. (zum Beispiel an der Kreuzung gegenüber dem Rathaus, vor dem heutigen Haus der Familie Pahle!) An einem solchen Platz blieb er stehen und schellte mit seiner Glocke solange, bis die Einwohner ans Tor oder zum Fenster kamen, um zu hören, was es Neues gab. Oft sagte die Mutter zu den Kindern: „geh mo schnell enaus und horsch emol, was es schellt“! Hatte der Polizeidiener Michel lange genug die Glocke bewegt und beim Umherschauen festgestellt, dass viele Leute auf der Straße waren, so rief er dann mit lauter, amtlicher Stimme: „Bekanntmachung“! Jetzt musste man aufpassen, was der Michel zu verkünden hatte. Meistens waren es 4-5 verschiedene Posten, was er zu sagen hatte. Zum Beispiel: Dass die 4. Rate Grundsteuer demnächst fällig wäre oder die nächste Mütterberatung am kommenden Tag im Rathaus mit einem Kinderarzt stattfindet. Hatte jemand seine Geldbörse verloren, so bat der Michel den ehrlichen Finder die Geldbörse auf der Bürgermeisterei abzugeben. Ebenso war eine wichtige Info, wann „de Klaueschneider“ kommt oder im Herbst, dass ab dem 01. September die Weinberge geschlossen sind und niemand ohne einen Schein hinausgehen durfte, außer an den Wingerttagen. Wenn die Kinder dann vom Ausrufer zurückkamen, wussten sie meistens nicht mehr alles, was der Polizeidiener Michel verkündet hat und die Mutter musste später die Nachbarin fragen, was es geschellt hatte. Sicher wusste dies allerdings immer die Joschte-Lisa, die nicht selten noch ein paar Neuigkeiten mehr wusste, als der Ausrufer! Alle Einwohner waren nach dem Schellen gut informiert und wussten was sie die nächsten Tage zu tun hatten. Ohne viel Papierkrieg und „moderne Ferz“ an technischem Aufwand waren die Bürger auf’s Beste im Ort informiert. Später war der Michel schon etwas moderner. Er fuhr mit einem Kleinmotorrad die Ausrufplätze ab. Bei dem heutigen Verkehr wäre so was wie der Polizeidiener Michel undenkbar. Auch durch unsere doppelverglasten Fenster würden wir die Glocke nicht mehr hören. Doch manchmal wünschen sich Manche eine solche Ruhe, wie damals in unser Dorf zurück und wenn es nur für einige Minuten wäre, in dieser hektischen Zeit. Das Tageläuten Pünktlich jeden Morgen um 6 Uhr läutet es in unserer Gemeinde. Wir nennen es das Tageläuten. Die Glocke ruft uns einen guten Morgen zu. Früher, als das Läuten noch nicht automatisiert war, zog der Küster, bzw. die Küsterin, morgens am Glockenseil, um so die Glocke zum Läuten zu bringen. Das Ehepaar Michael und Barbara Hammer, „de Michel un die Bawett“ genannt, waren viele Jahre als Küsterpaar in unserer Pfarrei tätig. Die Bawett stand Sommer wie Winter jeden Morgen um 6 Uhr in der Kirche und zog zum Tageläuten das Glockenseil. An kirchlichen Hochfesten nahm sie sich 2 freiwillige Helfer mit, um den Feiertag festlich mit allen Glocken einzuläuten. Einmal ist ihr jedoch etwas sehr Unangenehmes passiert. Einige junge Burschen, die noch bei der Magret in der Gastwirtschaft „Zum Königstuhl“ (ehemalig in der Königstuhlstraße am Festplatz) waren, hörten um 0.30 Uhr, also halb eins in der Nacht, die Glocke läuten. Es muss aber noch gesagt werden, dass es zu damaliger Zeit in unserer Gemeinde noch keine Feuersirene gab. Bei einem Brand läutete die Sturmglocke der Kirche. Alle in der Gaststube dachten nun an Feuer und rannten in die Kirche, um zu erfahren, wo es brennt. Die Bawett war sehr erstaunt plötzlich so viele Leute zu sehen. „Es brennt nirjendwo“ sagte sie, „ich läut doch Tag“! Die nächtlichen Besucher konnten sie überzeugen, dass es zum Tageläuten noch viel zu früh war. Es stellt sich dann heraus, dass die Bawett im Halbschlaf auf ihrem Wecker den kleinen Zeiger mit dem großen verwechselt hatte. Beim Hinschauen hatte sie 5 Minuten nach 6 gesehen und befürchtet, sie wäre heute zu spät dran. Dass es in Wirklichkeit aber erst halb eins war, davon ließ sie sich gern überzeugen, denn bis zum nächsten Tagläuten durfte sie noch ein paar Stunden schlafen! Und so kam es, dass es an einem Tag zwei mal Tag läutete. Böse Zungen erzählen, dass auch der Kirchendiener (als ihr Ehemann) in der damals bestens frequentierten Dorfkneipe „Zum Königstuhl“ bei der Magret ein und aus ging und nicht selten seine Mitaktiven des Feierabendschoppens zu ihm spätabends sagten: „läut glei, donn hostes morje früh gespart!“. De Wingertschütz Kam die schöne Herbstzeit, dann war der Wingertschütz nicht mehr weit. Den Vögeln, hauptsächlich den Staren, schmeckten die süßen Trauben besonders gut. Ganze Starenschwärme konnten schon so einige Rebstöcke leerfressen. Deshalb mussten die Trauben geschützt werden und dies tat der Wingertschütz. Er passte auf Vögel und auf Traubenklauer auf. Die Weinberge waren früher ab 1. September geschlossen und es durfte niemand das Weinbergsgelände betreten, außer dem Wingertschütz! Er wachte über die Trauben und schützte sie vor Mensch und Tier. Wollte man noch eine nötige Arbeit in den Weinbergen verrichten, so musste man sich auf der Bürgermeisterei einen Weinbergsschein holen, um quasi seine eigenen Felder betreten zu dürfen. Samstags war Wingertstag, an dem die Besitzer freien Zugang zu den Weinbergen hatten. Der Wingertschütz passte natürlich streng auf, dass ja kein Unbefugter die Weinberge betrat. Ein solcher Wingertschütz war der Alfred Martin, „de Lorens Alfred“ genannt. Für ihn war es eine Ehre die Weinbauern zufrieden zu stellen. Damit de Wingertschütz vor Regen und Unwetter geschützt war, stellte die Gemeinde kleine Hütten auf, die aus Stroh und alten Latten errichtet wurden. Für die Kinder war es immer sehr schön, bei der Traubenlese ihr Vesperbrot in der Hütte zu verzehren. Passte mal ein Wingertschütz nicht mit seiner Zigarette auf, so konnte die Hütte auch mal ganz schnell in Flammen aufgehen und der Wingertschütz musste aufpassen, dass er bei einem Nickerchen nicht noch selbst mit verbrannte. Doch mit der Zeit wurden dann die Wingertschützer durch moderne Selbstschussapparate ersetzt. Das ist ein automatischer Apparat, der alle paar Minuten einen lauten Schuss abgibt. So konnte der Wingertschütz, der ja auch mit seiner Wingertspistole schoss und dabei denselben Effekt erzielte, fast völlig ersetzt werden. Wir in Lörzweiler aber haben noch immer an der alten Tradition festgehalten und verfügen bis heute über leibhaftige Wingertschützer! Allerdings auch mittlerweile hochmodern motorisiert! Die Traubenlese Ach wie ist es heut so schön einem Vollernter beim Traubenlesen zuzusehen! Man steht bim Traubenwagen und passt gut auf hoffentlich gehen die Trauben alle drauf Für die Winzer Arbeitserleichterung und daher großes Glück Doch meine Gedanken schweifen manchmal zurück Meine Mutter hat mir immer erzählt Dass früher der Herbst war erst sehr spät Die Weinberge die warn symbolisch abgeschlosse Und de Wingertschütz hat kaaner dorschgelosse Am 2. November am Allerseelentage Begannen dann die Erntetage Die Fuhrwerke hatten hintereinander in der Schlossstraße gestande um auf das Läuten der Glocke zu warte dann das Läuten: Das war der große Start! Oft bei Regen und manchmal sogar bei Schnee Ja damals wars Traubenlese net immer schee Von wegen im Dirndlkleid wie mers auf Bildern oft sah Noch net emol Gummistibbel hot mer damals getrah Zu unserer Zeit war zwar noch net alles so perfekt Doch der Büttenträger wurde durch die Traubenkarrnche ersetzt Die Leser durften sich auf Schemelscher setze Und mit einem Liedchen wurden oft die Trauben gelesen Doch Dirndlkleid und Liedche mir sage dir „ade“ Ach was ist die heutige Zeit doch so schee! Das Leiterwähelsche von Ria Christ „Leiterwähelsche“ heißt auf Hochdeutsch „kleiner Leiterwagen“. Wer früher ein solches Leiterwähelsche hatte, war zu beneiden. Alle, aber auch alle größeren und kleineren Besorgungen, wurden mit einem solchen Wägelchen erledigt. Ob was zum Wegbringen oder was zum Heimholen war, das Leiterwägelchen war Mädchen für alles. Das Warenlager der Raiffeisen war oben in der Schlossstraße, etwa da, wo heute die alte Volksbank ist. Wurde zu Hause für das Vieh Kraftfutter gebraucht, so sagte die Mutter „Nemms Wählche un fahr in de Consum un hol en Sack Furekalk“. Da wir Kinder fast immer geschickt wurden, taten wir das auch ohne Murren. Es war oft auch ein Vergnügen mit dem Wägelchen zu fahren. Da es von der Raiffeisen bis zu uns nach Hause immer bergab ging, setzte man sich auf den Futtersack, nahm das Deichselchen zwischen die Füße und los gings, fast bis vor unser Hoftor! Da ja so gut wie keine Autos unterwegs waren, konnte man mitten auf der Fahrbahn den Wagen rollen lassen. Die Leute, die kein größeres Fuhrwerk, das heißt keinen Ochsen oder Pferd als Zugtier hatten, holten das Futter für ihr Vieh mit dem Wägelchen nach Hause. Wurde das Mehl zu Hause knapp, lud mein Vater ein paar Säcke Frucht, zum Beispiel Weizen oder Roggen auf unser Wägelche und fuhr damit in die Mühle zum Mahlen. Es gab kaum ein Tag an dem das Leiterwägelchen nicht im Einsatz war. Ein Auto wäre bestimmt zu damaliger Zeit unangebrachter gewesen, als solch ein Wägelchen. Oft wurden auch schwere Sachen mit ihm transportiert und es war überladen. Die Folge war dann das Zusammenbrechen eines Rädchens. In der Wagnerei Lindroth wurde der Schaden jedoch schnellstens behoben. Als die Wirtschaft nach dem Krieg wieder in Aufschwung kam, wurde bei uns zu Hause als erstes ein neues gummibereiftes Wägelchen gekauft, mit dem man dann stolz und leise durchs Dorf fahren konnte. Doch wie gesagt, der Aufschwung machte auch bei uns nicht Halt. Das Leiterwägelsche wurde von modernen motorisierten Fahrzeugen ersetzt. Heute kennen nur wenige noch ein solches Wägelchen, es sei denn, es steht noch eines in der hintersten Ecke des Schuppens, das als ein Erinnerungsstück aufbewahrt wird. Es Kerbekleid von Ria Christ Mir in Lörzweiler habe es jo schee. Unser große Kerb ist im Mai. Wann mer sich do e nei Kerbekleid kaaft, hot mer de ganze Sommer was davon. Heutzutage is des ja auch kein Problem. Des kann mer am Kerbesamstag noch erledige. Mer setzt sich ins Auto, fährt in die Stadt, und 2 Stund später kann mer des Kleid schun im Kleiderschrank hänge habbe. Aber wie annerster war des vor 50 Jahr. Kerbekleider hots damals ach schun gebbe und alles Unikate. Jedes Jahr e Neies aber mit viel Trara. Im Januar ging mer zu de Schneiderin un hot gefrogt, ob se noch Zeit un Luft hätt fer e Kerbekleid zu nähe. Hat sie dann zugesagt, is mer erst emol gemesse worn, denn des Maß war ganz wichtig. E paar Hefte mit Muster hot mer mitham gekrieht und mer hot im Familienrat sich was ausgesucht. Die Schneiderin gab uns dann die Stoffmeng an. An ein Jahr kann ich mich noch gut erinnern. Es war in de 50ern. So gings dann los. On eme trockene Regetag, wo mer drauße nix schaffe konnte, sinn mer in die Stadt gefahrn. Bevor mer an de Bus ginge hot mein Vatter zu meiner Mutter gesagt: „Horch, des Meere war de ganze Herbst so fleißig, guck net uff de Preis und kaaft dem en schöne Stoff. Mer habbe erst emol im Kaufhof geguckt und sein schließlich beim Gisee gelandet. Ach was e Auswahl. Aber mir hat en schöne Stoff ins Aach geleucht. En fliederfarbene Taft. Die Verkäuferin hot glei gesehe, wo mein Augenmerk hinging und hot uns den Stoff mit Engelszunge angepriese. Nehmese e bisje mehr Stoff, da gibt des en scheene Tellerrock und wann des Mädsche dann on de Kerb tanzt, do tut des Röckelsche schön flieje. Na die Schneiderin hat mer dann alles nach Wunsch gemacht. Samstags vor Kerb letzte Anprobe bevor mer zum Friseur zur Dauerwelle nach Mommenheim ging, e nei Kleid braucht jo ach e schee Frisur. Kerbesonntamorgen, e halbe Stund vor de Kersch, iss des Kleid dann gekomme. Fliederfarbenes Taftkleid mit schwarzem Samtgürtel un schwarze Samtknöpp un natürlich mit Tellerrock. Aber ohzieh konnt ich des Kleid net, denn es hot wie mit Kübel geschitt. De Rege hot bis obens um halb 6 erum ohgehalte. Aber als um 6 Uhr die Sonn eraus kumme is, bin ich von de Musik ham (damals war mittags schon Tanzmusik), hab moi nei Kleid ogezoge, bin wieder zum Tanze gange. Grad wie ich wieder angerauscht bin, hat die Musik Damenwahl verkündet. Ich hab mer de beste Walzertänzer geholt un mein Tellerrock is nur so gefloge! Der Bäcker Wie ja vielen bekannt ist, war Lörzweiler vor etwa 50 Jahren eine sehr kleine Gemeinde. Unser Ort hatte so um die 700 Einwohner, etwa ein Drittel von Heute. Aber trotz kleinem Ort hatten wir 2 Bäckereien hier. Es war der Oberbäcker in der Schlossstraße, betrieben von Peter Allendorf und der Unterbäcker, oder Bäcker-Bäcker, der war in der Bahnhofstraße im heutigen Hause der Bäckerei Mayer. Beim Oberbäcker gab es keinen Verkaufsraum. Man musste zuerst durch den Hof und dann in den Hausflur gehen, wo die Brote verkauft wurden. Wenn es mehrere Kunden gab, stand das Wohnzimmer als Laden zur Verfügung. Ein großer Tisch stand in der Mitte mit einer Schublade, die als Kasse diente. Neben an der Wand stand ein altes rotes Samtsofa. Wenn die gute Stube voll von Kunden war, versuchten die Kinder sich immer auf das rote Sofa zu setzen, was aber die Hausherrin überhaupt nicht duldete. Das Mehl bekam der Bäcker von den Landwirten gebracht, die ihr Korn zuerst in die Mühle brachten und dann zum Bäcker fuhren. Es gab dann für das Mehl Brotkärtchen. Beim Kauf eines Brotes gab man 1 Kärtchen und bezahlte noch 30 Pfennig Backlohn. Frische Brötchen gab es beim Oberbäcker nur am Samstag. Viel besser war es beim Bäcker in der Bahnhofstraße. Hier war schon ein richtiger Laden mit Schaufenster vorhanden. Hier gab es auch mal die Woche über Brötchen oder Zuckerwecke zu kaufen. An den Samstagen wurden in beiden Bäckereien am Nachmittag Kuchen zum Backen angenommen. Als die Kinder von der Schule nach Hause kamen, hatte Ria Christ‘s Mutter schon alles vorbereitet. Sie gab den Kindern unter jeden Arm ein Kuchenblech, die sie dann zum Bäcker brachten. Waren es Streuselkuchen, so stellten sie unterwegs auch mal die Bleche ab, um ein paar Streusel zu stibitzen, was natürlich wunderbar schmeckte. Im Herbst gabs dann die großen Zwetschgenkuchen, wobei die Kinderarme diese kaum fassen konnten. Da alle Bleche gleich aussahen, wurden sie mit Namenszettelchen versehen, die nach dem Backen oft unleserlich waren und man dann auch mal den Kuchen des Nachbarn heimtrug. Ria Christ fand das als Kind ganz schön blöd, weil „ihr“ Bäcker der Oberbäcker in der Schlossstraße war und sie die Kuchen und Brote so weit tragen musste, wo doch der Unterbäcker ganz in der Nähe ihres Hauses war. Der Bäcker in der Schlossstraße war aber ein Cousin ihrer Mutter und keiner der Familie durfte den Laden in der Bahnhofstraße um die Ecke betreten. Ich glaube niemand in Lörzweiler freute sich mehr als sie, als es in Lörzweiler nur noch einen Bäcker gab! Eine der großen Rätsel für Zugereiste ist noch heute: Warum gibt’s diesen…