Der Polizeidiener
FrĂŒher gab es in Lörzweiler einen Polizeidiener, der zeitgleich auch der Messner war. In frĂŒherer Zeit war dies der Polizeidiener Michel. Sein richtiger Name war Michael Hammer. Da die Kinder aber seinen richtigen Namen nicht wussten, war es fĂŒr sie einfach âde Polizeidiener-Michelâ. Er war auf der BĂŒrgermeisterei die rechte Hand des BĂŒrgermeisters. Ein schwarzes Brett gab es zu damaliger Zeit noch nicht in unserer Gemeinde. Hatte der BĂŒrgermeister seinen BĂŒrgern etwas mitzuteilen, nahm der Polizeidiener eine groĂe Handschelle und ging ins Dorf. Er hatte seine festen PlĂ€tze in den StraĂen zum Bekanntmachen seiner AuftrĂ€ge. (zum Beispiel an der Kreuzung gegenĂŒber dem Rathaus, vor dem heutigen Haus der Familie Pahle!) An einem solchen Platz blieb er stehen und schellte mit seiner Glocke solange, bis die Einwohner ans Tor oder zum Fenster kamen, um zu hören, was es Neues gab. Oft sagte die Mutter zu den Kindern: âgeh mo schnell enaus und horsch emol, was es schelltâ! Hatte der Polizeidiener Michel lange genug die Glocke bewegt und beim Umherschauen festgestellt, dass viele Leute auf der StraĂe waren, so rief er dann mit lauter, amtlicher Stimme: âBekanntmachungâ! Jetzt musste man aufpassen, was der Michel zu verkĂŒnden hatte. Meistens waren es 4-5 verschiedene Posten, was er zu sagen hatte.
Zum Beispiel: Dass die 4. Rate Grundsteuer demnĂ€chst fĂ€llig wĂ€re oder die nĂ€chste MĂŒtterberatung am kommenden Tag im Rathaus mit einem Kinderarzt stattfindet. Hatte jemand seine Geldbörse verloren, so bat der Michel den ehrlichen Finder die Geldbörse auf der BĂŒrgermeisterei abzugeben. Ebenso war eine wichtige Info, wann âde Klaueschneiderâ kommt oder im Herbst, dass ab dem 01. September die Weinberge geschlossen sind und niemand ohne einen Schein hinausgehen durfte, auĂer an den Wingerttagen. Wenn die Kinder dann vom Ausrufer zurĂŒckkamen, wussten sie meistens nicht mehr alles, was der Polizeidiener Michel verkĂŒndet hat und die Mutter musste spĂ€ter die Nachbarin fragen, was es geschellt hatte. Sicher wusste dies allerdings immer die Joschte-Lisa, die nicht selten noch ein paar Neuigkeiten mehr wusste, als der Ausrufer! Alle Einwohner waren nach dem Schellen gut informiert und wussten was sie die nĂ€chsten Tage zu tun hatten. Ohne viel Papierkrieg und âmoderne Ferzâ an technischem Aufwand waren die BĂŒrger aufâs Beste im Ort informiert. SpĂ€ter war der Michel schon etwas moderner. Er fuhr mit einem Kleinmotorrad die AusrufplĂ€tze ab. Bei dem heutigen Verkehr wĂ€re so was wie der Polizeidiener Michel undenkbar. Auch durch unsere doppelverglasten Fenster wĂŒrden wir die Glocke nicht mehr hören. Doch manchmal wĂŒnschen sich Manche eine solche Ruhe, wie damals in unser Dorf zurĂŒck und wenn es nur fĂŒr einige Minuten wĂ€re, in dieser hektischen Zeit.
Das TagelÀuten
PĂŒnktlich jeden Morgen um 6 Uhr lĂ€utet es in unserer Gemeinde. Wir nennen es das TagelĂ€uten. Die Glocke ruft uns einen guten Morgen zu. FrĂŒher, als das LĂ€uten noch nicht automatisiert war, zog der KĂŒster, bzw. die KĂŒsterin, morgens am Glockenseil, um so die Glocke zum LĂ€uten zu bringen. Das Ehepaar Michael und Barbara Hammer, âde Michel un die Bawettâ genannt, waren viele Jahre als KĂŒsterpaar in unserer Pfarrei tĂ€tig. Die Bawett stand Sommer wie Winter jeden Morgen um 6 Uhr in der Kirche und zog zum TagelĂ€uten das Glockenseil. An kirchlichen Hochfesten nahm sie sich 2 freiwillige Helfer mit, um den Feiertag festlich mit allen Glocken einzulĂ€uten. Einmal ist ihr jedoch etwas sehr Unangenehmes passiert. Einige junge Burschen, die noch bei der Magret in der Gastwirtschaft âZum Königstuhlâ (ehemalig in der KönigstuhlstraĂe am Festplatz) waren, hörten um 0.30 Uhr, also halb eins in der Nacht, die Glocke lĂ€uten. Es muss aber noch gesagt werden, dass es zu damaliger Zeit in unserer Gemeinde noch keine Feuersirene gab. Bei einem Brand lĂ€utete die Sturmglocke der Kirche. Alle in der Gaststube dachten nun an Feuer und rannten in die Kirche, um zu erfahren, wo es brennt. Die Bawett war sehr erstaunt plötzlich so viele Leute zu sehen. âEs brennt nirjendwoâ sagte sie, âich lĂ€ut doch Tagâ! Die nĂ€chtlichen Besucher konnten sie ĂŒberzeugen, dass es zum TagelĂ€uten noch viel zu frĂŒh war. Es stellt sich dann heraus, dass die Bawett im Halbschlaf auf ihrem Wecker den kleinen Zeiger mit dem groĂen verwechselt hatte. Beim Hinschauen hatte sie 5 Minuten nach 6 gesehen und befĂŒrchtet, sie wĂ€re heute zu spĂ€t dran. Dass es in Wirklichkeit aber erst halb eins war, davon lieĂ sie sich gern ĂŒberzeugen, denn bis zum nĂ€chsten TaglĂ€uten durfte sie noch ein paar Stunden schlafen! Und so kam es, dass es an einem Tag zwei mal Tag lĂ€utete.
Böse Zungen erzĂ€hlen, dass auch der Kirchendiener (als ihr Ehemann) in der damals bestens frequentierten Dorfkneipe âZum Königstuhlâ bei der Magret ein und aus ging und nicht selten seine Mitaktiven des Feierabendschoppens zu ihm spĂ€tabends sagten: âlĂ€ut glei, donn hostes morje frĂŒh gespart!â.
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De WingertschĂŒtz
Kam die schöne Herbstzeit, dann war der WingertschĂŒtz nicht mehr weit. Den Vögeln, hauptsĂ€chlich den Staren, schmeckten die sĂŒĂen Trauben besonders gut. Ganze StarenschwĂ€rme konnten schon so einige Rebstöcke leerfressen. Deshalb mussten die Trauben geschĂŒtzt werden und dies tat der WingertschĂŒtz. Er passte auf Vögel und auf Traubenklauer auf. Die Weinberge waren frĂŒher ab 1. September geschlossen und es durfte niemand das WeinbergsgelĂ€nde betreten, auĂer dem WingertschĂŒtz! Er wachte ĂŒber die Trauben und schĂŒtzte sie vor Mensch und Tier. Wollte man noch eine nötige Arbeit in den Weinbergen verrichten, so musste man sich auf der BĂŒrgermeisterei einen Weinbergsschein holen, um quasi seine eigenen Felder betreten zu dĂŒrfen. Samstags war Wingertstag, an dem die Besitzer freien Zugang zu den Weinbergen hatten. Der WingertschĂŒtz passte natĂŒrlich streng auf, dass ja kein Unbefugter die Weinberge betrat. Ein solcher WingertschĂŒtz war der Alfred Martin, âde Lorens Alfredâ genannt. FĂŒr ihn war es eine Ehre die Weinbauern zufrieden zu stellen. Damit de WingertschĂŒtz vor Regen und Unwetter geschĂŒtzt war, stellte die Gemeinde kleine HĂŒtten auf, die aus Stroh und alten Latten errichtet wurden. FĂŒr die Kinder war es immer sehr schön, bei der Traubenlese ihr Vesperbrot in der HĂŒtte zu verzehren. Passte mal ein WingertschĂŒtz nicht mit seiner Zigarette auf, so konnte die HĂŒtte auch mal ganz schnell in Flammen aufgehen und der WingertschĂŒtz musste aufpassen, dass er bei einem Nickerchen nicht noch selbst mit verbrannte. Doch mit der Zeit wurden dann die WingertschĂŒtzer durch moderne Selbstschussapparate ersetzt. Das ist ein automatischer Apparat, der alle paar Minuten einen lauten Schuss abgibt. So konnte der WingertschĂŒtz, der ja auch mit seiner Wingertspistole schoss und dabei denselben Effekt erzielte, fast völlig ersetzt werden. Wir in Lörzweiler aber haben noch immer an der alten Tradition festgehalten und verfĂŒgen bis heute ĂŒber leibhaftige WingertschĂŒtzer! Allerdings auch mittlerweile hochmodern motorisiert!
Die Traubenlese
Ach wie ist es heut so schön
einem Vollernter beim Traubenlesen zuzusehen!
Man steht bim Traubenwagen und passt gut auf
hoffentlich gehen die Trauben alle drauf
FĂŒr die Winzer Arbeitserleichterung und daher groĂes GlĂŒck
Doch meine Gedanken schweifen manchmal zurĂŒck
Meine Mutter hat mir immer erzÀhlt
Dass frĂŒher der Herbst war erst sehr spĂ€t
Die Weinberge die warn symbolisch abgeschlosse
Und de WingertschĂŒtz hat kaaner dorschgelosse
Am 2. November am Allerseelentage
Begannen dann die Erntetage
Die Fuhrwerke hatten hintereinander in der SchlossstraĂe gestande
um auf das LĂ€uten der Glocke zu warte
dann das LĂ€uten: Das war der groĂe Start!
Oft bei Regen und manchmal sogar bei Schnee
Ja damals wars Traubenlese net immer schee
Von wegen im Dirndlkleid wie mers auf Bildern oft sah
Noch net emol Gummistibbel hot mer damals getrah
Zu unserer Zeit war zwar noch net alles so perfekt
Doch der BĂŒttentrĂ€ger wurde durch die Traubenkarrnche ersetzt
Die Leser durften sich auf Schemelscher setze
Und mit einem Liedchen wurden oft die Trauben gelesen
Doch Dirndlkleid und Liedche mir sage dir âadeâ
Ach was ist die heutige Zeit doch so schee!
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Das LeiterwÀhelsche von Ria Christ
âLeiterwĂ€helscheâ heiĂt auf Hochdeutsch âkleiner Leiterwagenâ. Wer frĂŒher ein solches LeiterwĂ€helsche hatte, war zu beneiden. Alle, aber auch alle gröĂeren und kleineren Besorgungen, wurden mit einem solchen WĂ€gelchen erledigt. Ob was zum Wegbringen oder was zum Heimholen war, das LeiterwĂ€gelchen war MĂ€dchen fĂŒr alles. Das Warenlager der Raiffeisen war oben in der SchlossstraĂe, etwa da, wo heute die alte Volksbank ist. Wurde zu Hause fĂŒr das Vieh Kraftfutter gebraucht, so sagte die Mutter âNemms WĂ€hlche un fahr in de Consum un hol en Sack Furekalkâ. Da wir Kinder fast immer geschickt wurden, taten wir das auch ohne Murren. Es war oft auch ein VergnĂŒgen mit dem WĂ€gelchen zu fahren. Da es von der Raiffeisen bis zu uns nach Hause immer bergab ging, setzte man sich auf den Futtersack, nahm das Deichselchen zwischen die FĂŒĂe und los gings, fast bis vor unser Hoftor! Da ja so gut wie keine Autos unterwegs waren, konnte man mitten auf der Fahrbahn den Wagen rollen lassen. Die Leute, die kein gröĂeres Fuhrwerk, das heiĂt keinen Ochsen oder Pferd als Zugtier hatten, holten das Futter fĂŒr ihr Vieh mit dem WĂ€gelchen nach Hause. Wurde das Mehl zu Hause knapp, lud mein Vater ein paar SĂ€cke Frucht, zum Beispiel Weizen oder Roggen auf unser WĂ€gelche und fuhr damit in die MĂŒhle zum Mahlen. Es gab kaum ein Tag an dem das LeiterwĂ€gelchen nicht im Einsatz war. Ein Auto wĂ€re bestimmt zu damaliger Zeit unangebrachter gewesen, als solch ein WĂ€gelchen. Oft wurden auch schwere Sachen mit ihm transportiert und es war ĂŒberladen. Die Folge war dann das Zusammenbrechen eines RĂ€dchens. In der Wagnerei Lindroth wurde der Schaden jedoch schnellstens behoben. Als die Wirtschaft nach dem Krieg wieder in Aufschwung kam, wurde bei uns zu Hause als erstes ein neues gummibereiftes WĂ€gelchen gekauft, mit dem man dann stolz und leise durchs Dorf fahren konnte. Doch wie gesagt, der Aufschwung machte auch bei uns nicht Halt. Das LeiterwĂ€gelsche wurde von modernen motorisierten Fahrzeugen ersetzt. Heute kennen nur wenige noch ein solches WĂ€gelchen, es sei denn, es steht noch eines in der hintersten Ecke des Schuppens, das als ein ErinnerungsstĂŒck aufbewahrt wird.
Es Kerbekleid von Ria Christ
Mir in Lörzweiler habe es jo schee. Unser groĂe Kerb ist im Mai. Wann mer sich do e nei Kerbekleid kaaft, hot mer de ganze Sommer was davon. Heutzutage is des ja auch kein Problem. Des kann mer am Kerbesamstag noch erledige. Mer setzt sich ins Auto, fĂ€hrt in die Stadt, und 2 Stund spĂ€ter kann mer des Kleid schun im Kleiderschrank hĂ€nge habbe. Aber wie annerster war des vor 50 Jahr. Kerbekleider hots damals ach schun gebbe und alles Unikate. Jedes Jahr e Neies aber mit viel Trara. Im Januar ging mer zu de Schneiderin un hot gefrogt, ob se noch Zeit un Luft hĂ€tt fer e Kerbekleid zu nĂ€he. Hat sie dann zugesagt, is mer erst emol gemesse worn, denn des MaĂ war ganz wichtig. E paar Hefte mit Muster hot mer mitham gekrieht und mer hot im Familienrat sich was ausgesucht. Die Schneiderin gab uns dann die Stoffmeng an. An ein Jahr kann ich mich noch gut erinnern. Es war in de 50ern. So gings dann los. On eme trockene Regetag, wo mer drauĂe nix schaffe konnte, sinn mer in die Stadt gefahrn. Bevor mer an de Bus ginge hot mein Vatter zu meiner Mutter gesagt: âHorch, des Meere war de ganze Herbst so fleiĂig, guck net uff de Preis und kaaft dem en schöne Stoff. Mer habbe erst emol im Kaufhof geguckt und sein schlieĂlich beim Gisee gelandet. Ach was e Auswahl. Aber mir hat en schöne Stoff ins Aach geleucht. En fliederfarbene Taft. Die VerkĂ€uferin hot glei gesehe, wo mein Augenmerk hinging und hot uns den Stoff mit Engelszunge angepriese. Nehmese e bisje mehr Stoff, da gibt des en scheene Tellerrock und wann des MĂ€dsche dann on de Kerb tanzt, do tut des Röckelsche schön flieje. Na die Schneiderin hat mer dann alles nach Wunsch gemacht. Samstags vor Kerb letzte Anprobe bevor mer zum Friseur zur Dauerwelle nach Mommenheim ging, e nei Kleid braucht jo ach e schee Frisur. Kerbesonntamorgen, e halbe Stund vor de Kersch, iss des Kleid dann gekomme. Fliederfarbenes Taftkleid mit schwarzem SamtgĂŒrtel un schwarze Samtknöpp un natĂŒrlich mit Tellerrock. Aber ohzieh konnt ich des Kleid net, denn es hot wie mit KĂŒbel geschitt. De Rege hot bis obens um halb 6 erum ohgehalte.
Aber als um 6 Uhr die Sonn eraus kumme is, bin ich von de Musik ham (damals war mittags schon Tanzmusik), hab moi nei Kleid ogezoge, bin wieder zum Tanze gange. Grad wie ich wieder angerauscht bin, hat die Musik Damenwahl verkĂŒndet. Ich hab mer de beste WalzertĂ€nzer geholt un mein Tellerrock is nur so gefloge!
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Der BĂ€cker
Wie ja vielen bekannt ist, war Lörzweiler vor etwa 50 Jahren eine sehr kleine Gemeinde. Unser Ort hatte so um die 700 Einwohner, etwa ein Drittel von Heute. Aber trotz kleinem Ort hatten wir 2 BĂ€ckereien hier. Es war der OberbĂ€cker in der SchlossstraĂe, betrieben von Peter Allendorf und der UnterbĂ€cker, oder BĂ€cker-BĂ€cker, der war in der BahnhofstraĂe im heutigen Hause der BĂ€ckerei Mayer. Beim OberbĂ€cker gab es keinen Verkaufsraum. Man musste zuerst durch den Hof und dann in den Hausflur gehen, wo die Brote verkauft wurden. Wenn es mehrere Kunden gab, stand das Wohnzimmer als Laden zur VerfĂŒgung. Ein groĂer Tisch stand in der Mitte mit einer Schublade, die als Kasse diente. Neben an der Wand stand ein altes rotes Samtsofa. Wenn die gute Stube voll von Kunden war, versuchten die Kinder sich immer auf das rote Sofa zu setzen, was aber die Hausherrin ĂŒberhaupt nicht duldete.
Das Mehl bekam der BĂ€cker von den Landwirten gebracht, die ihr Korn zuerst in die MĂŒhle brachten und dann zum BĂ€cker fuhren. Es gab dann fĂŒr das Mehl BrotkĂ€rtchen. Beim Kauf eines Brotes gab man 1 KĂ€rtchen und bezahlte noch 30 Pfennig Backlohn. Frische Brötchen gab es beim OberbĂ€cker nur am Samstag. Viel besser war es beim BĂ€cker in der BahnhofstraĂe. Hier war schon ein richtiger Laden mit Schaufenster vorhanden. Hier gab es auch mal die Woche ĂŒber Brötchen oder Zuckerwecke zu kaufen. An den Samstagen wurden in beiden BĂ€ckereien am Nachmittag Kuchen zum Backen angenommen. Als die Kinder von der Schule nach Hause kamen, hatte Ria Christâs Mutter schon alles vorbereitet. Sie gab den Kindern unter jeden Arm ein Kuchenblech, die sie dann zum BĂ€cker brachten. Waren es Streuselkuchen, so stellten sie unterwegs auch mal die Bleche ab, um ein paar Streusel zu stibitzen, was natĂŒrlich wunderbar schmeckte. Im Herbst gabs dann die groĂen Zwetschgenkuchen, wobei die Kinderarme diese kaum fassen konnten. Da alle Bleche gleich aussahen, wurden sie mit Namenszettelchen versehen, die nach dem Backen oft unleserlich waren und man dann auch mal den Kuchen des Nachbarn heimtrug. Ria Christ fand das als Kind ganz schön blöd, weil âihrâ BĂ€cker der OberbĂ€cker in der SchlossstraĂe war und sie die Kuchen und Brote so weit tragen musste, wo doch der UnterbĂ€cker ganz in der NĂ€he ihres Hauses war. Der BĂ€cker in der SchlossstraĂe war aber ein Cousin ihrer Mutter und keiner der Familie durfte den Laden in der BahnhofstraĂe um die Ecke betreten. Ich glaube niemand in Lörzweiler freute sich mehr als sie, als es in Lörzweiler nur noch einen BĂ€cker gab!
Eine der groĂen RĂ€tsel fĂŒr Zugereiste ist noch heute: Warum gibtâs diesen Clinch zwischen Mommenheim und Lörzweiler? Eine mögliche Antwort ist: Die Mommenheimer waren evangelisch, die Lörzweiler katholisch. Da die Kerb aller dreier Ortschaften Mommenheim, Lörzweiler und Nackenheim kurioserweise zeitgleich stattfand, warnte der Lörzweiler Pfarrer die MĂ€dchen zu dieser Zeit stets mit den Worten: âMeedscher, do naus derfter gehe (Finger Richtung Nackenheim), abber do naus net (Finger Richtung Mommenheim)!â. Ebenfalls mahnte der Mommenheimer evangelische Pfarrer die jungen Dinger: âMeedscher: die Lörzweiler Kerb is fer Eisch verbote!â.
Dennoch gab es in Mommenheim eine katholische GĂ€rtnerei und in Harxheim eine evangelische!
Eine andere viel Ă€ltere BegrĂŒndung findet sich wohlmöglich darin, dass Mommenheim einen Pfalzgrafen beheimatete, der eine andere Grenze ausrief: In Mommenheim beginnt die Pfalz und somit wurde auch religiös deutlich eine Grenze gesetzt! Aber unterhaltsamer ist auf jeden Fall die erstere Variante!
In Lörzweiler gab es den âschwarzenâ Kirchenchor und die âroteâ CĂ€cilia. âMischehenâ (unterschiedliche Konfessionen) wurden Ă€uĂerst ungern gesehen, ja, sie waren sogar ausgesprochen unerwĂŒnscht. Bildete sich hieraus doch eine Liebschaft, so wurde nachts heimlich vor deren HĂ€user ein breiter, weiĂer Kreidestrich gezogen und somit wusste es dann das ganze Ort! Dazu muss man wissen, wenn Lörzweiler sich auswĂ€rtig verliebten, dann auch noch in einen, der einen anderen Glauben hatte, durfte er oft nicht mehr nach Lörzweiler heimkommen…
Hier in Lörzweiler war es der Fall, dass der Pfarrer und der Lehrer (beides Gelehrte!) sich nicht so grĂŒn waren. Der Pfarrer war zugleich Chorleiter des Kirchenchores (spĂ€terer Dekan Werner) und der Lehrer Lichtenegger war zugleich der Balwere, also der Ortsfrisör. Die beiden lieferten sich gern und entsprechend regelmĂ€Ăig Wortgefechte, wer wohl der Gelehrtere sei. Eines Tages war es wieder soweit und der Pfarrer musste notgedrungen die Dienste des Frisörs in Anspruch nehmen. Ein Wort gab wie ĂŒblich das andere und ĂŒberliefert wurde folgendes Balwere-Zitat: âHerr Pfarrer, wenn sie so e Schmalfuttsche (aus dem jiddischen: Anbabber) sin, dann rasier ich Sie net fertisch!â Der Pfarrer ging an diesem Tag nur halb rasiert nach Hause…
Dass die Lörzweiler schon immer ein feierfreudiges Völkchen waren, beweist der Umstand dass es frĂŒher mehrere TanzsĂ€le in Lörzweiler gab. Tanzsaal Althaus, Tanzsaal Adolf Allendorf, Tanzsaal Gottwald. Letzterer hatte einen Spiegel im Tanzsaal. Der eignete sich hervorragend, um âen onnern emo zuzezwingernâ! Und beim Gottwald gabs auch eine 3-Mann-Kapelle, die sich groĂer Beliebtheit erfreute! AuĂerdem gab es tatsĂ€chlich frĂŒher 2 Kerben: Die eine an Kirchweih, bis zum heutigen Tag und die Nachkerb auf St. Michael, dem Namenspatron, der Lörzweiler Kirche!
Kleine liebe Zitate:
âMer war dankbar wenn man e BobbewĂ€helsche mit nur 3 RĂ€der hatte, sonst gabâs ja nicht viel…
âFrĂŒher hatte noch de frechste Bangert Schiss vorm Niggelaas!â
âWennâs heiĂ war, gingen die Kinder nicht in ein Schwimmbad, mer setzte sich aafach ins Bitschje!â
âDie âKöâ hot Wasserâ. Das resultierte möglicherweise daraus, dass hinter dem ehemaligen Hammer-Hof ein Teich war (das sogenannte Becker-Feld). Der frĂŒhere Fischweiher gehörte der Oberschicht, die sich dort ein paar Karpfen fĂŒrs Freitagsgericht hielten. Eigentlich war Lörzweiler eher eine wasserarme Gemeinde. Der Brunnen, der heute noch im Mehrgenerationsraum im Gemeindehaus zu sehen ist, war der ehemalige Feuerwehrbrunnen.
âMir ham uff de Gass gespielt und kaa Computer-Tierscher mim Handy gefange!â
âMir wollte aus de FieĂ soi un sin fuchtele gange. MĂ€dscher durfte bei de Bube mitspiele, wenn se sich dorschsetze konnte! Milch wegbringe war es GröĂte! Obends on de Milchsammelstell hot sich die Jugend getroffe. Die Milchsammelstelle war dort, wo heit de Scheidemantels ern David wohnt, in de SchlossstroĂ.â
âDie Milchabgabestelle beherbergte und bewirtschaftete die âMilch-Marieâ, âsie war zwar evangelisch, aber super-exakt, hielt sich penibel an die Abgabezeit, war pingelig und robustâ und fand somit – trotzdem sie evangelisch war und einen Lörzweiler Katholiken heiratete â Akzeptanz in Lörzweiler.â
âĂber die Leit saht mehr âGuden Moje und Guten Tachâ, aber net dene, die hinnern Lade nausgugge!â. Eine solche Person war wohl die Joschte-Lisa, damals wohnhaft im heutigen Pahle-Haus, Ecke SchlossstraĂe / RheinstraĂe. So reimten damals die jungen Leute: âUn willste mal heimlich zum Haus enausgehe, es Joschte-Lisa kriet alles gesehe!!!â
âDer Schreiner Schrittmacher ist mal zum Dreschen zu spĂ€t gekommen, als Entschuldigung kam dieses: âMei Madame war heit Nacht net deheimâ (sie war die Hebamme der Region, die Frieda aus Mommenheim), âei wer hotten was krieht?â wollten Alle wissen: Das war die Geburt von Michael Christ, von dessen Ankunft keiner eine Ahnung hatte. Die Mama hatte nĂ€mlich eine ganz Ă€hnliche Figur, wie unser Michael…â
â1970 gab es dann bereits 1 Auto in Lörzweiler, nĂ€mlich das vom Dietze-Schorsch (frĂŒher: Opa Dietz, Opa vom Bruno Lang) in der SchlossstraĂe. Unserm Felix Becker seine Frau lag in den Wehen und Frieda, die Mommenheimer Hebamme, war bald zur Stelle. Felix ist im Untergeschoss aufgescheucht hin und her und war unfassbar âuffgereschtâ. Auf einmal schrie Frieda von oben zum Felix: âde Dokter, de Dokter!â und Felix lieĂ panisch alles stehen und liegen und flitzte, so wie er war zum Dietze-Schorsch um mit ihm und seinem Auto den Doktor zu holen. Aufgelöst vor Sorge kam er endlich daheim an, wo die Frieda schon auf ihn wartete, um ihn ordentlichen den Marsch zu blasen: âWo warst Du denn, Du Simbel, mer warte all uff Disch!â und Felix konterte âei isch hab de Dokter geholt wie de des gesacht hastâ, darauf die Frieda âfer wasn des? Du Dollbohrer! Isch hat gerufe: Felix, e Tochter, e Tochter!!!!â
âLörzweiler selbst wurde von den Bomben im Krieg verschont, aber der Luftdruck der im Umland fallenden Bomben lieĂ auch in Lörzweiler die Scheiben bersten und der Schnee fĂ€rbte sich rabenschwarz. Die Frauen mussten die Bombenlöcher wieder zuschĂŒtten. Zum Dank, dass Lörzweiler von Bomben verschont wurde, errichteten Lörzweiler BĂŒrger das uns heute noch vertraute Hohbergkreuz.â
âDer MĂŒller BĂ€cker-Lorenz in der MĂŒhle hatte die einzige Waage im Ort. Wenn man es mal wissen wollte, wo man gewichtstechnisch stand, dann musste man zu ihm.â
âLörzweiler hatte frĂŒher drei KolonialwarenlĂ€den: Herr Lang, Frau Herberg und Frau Allendorf!â
Auf die Frage nach damalig typischen Weihnachtsgeschenken, erhielt ich die Antwort: Es gab dann mal âGutsjerâ, PlĂ€tzchen aus viel Milch, Mehl und Zucker, aber manchmal, als es wenig gab, kam halt auch weniger Schmackhaftes hinein und dann nannte man sie: âLuftgutsjerâ! Gingâs einem besser gab es zu Weihnachten ButtergebĂ€ck, hatte man NĂŒsse, dann Nussmakronen und zeittypische Geschenke waren: Ein selbstgestrickter Schal, selbstgestrickte Socken und aus alter BettwĂ€sche und Gardinen wurde Kleidung genĂ€ht. Helen Hammer (v. Karl) wĂŒnschte sich Mineralwasser, ansonsten waren weitere WĂŒnsche: 1 Kasten Limo, ein Weihnachtsbaum mit einer Kugel (!) und fast alle Kinder hatten einen Rodelschlitten, nur Ria Christ nicht. So hoffte sie einfach mal auf Weihnachten… Heute nicht mehr auszudenken!
Ein Originalzitat (Frau Groben) betrifft den noch heute existenten Hochheimer Markt, nĂ€mlich: âdes ist fĂŒr mich höher als Amerika!â! Die schon fĂŒr damalige VerhĂ€ltnisse riesengroĂe dortige Ausstellungshalle Halle war Treffpunkt fĂŒr Menschen aus allen Ortschaften der Region.
StraĂennamen in Lörzweiler:
KönigstuhlstaĂe = dee Reescht
RheinstraĂe = die A…
Königstuhlplatz = Peterschesplatz (Horne-Peter, ehem. BĂŒrgermeister)
Pfaffenbrunnen = Katzeloch
es Reilsche = Wehregrabe
GreifenklaustraĂe = Familie Greifenklau
Greifenklaugasse = Werle-Gass â da hatte wohl mal jemand mit dem Namen gewohnt
60er-Jahre:
WeinbergstraĂe war Feldweg
Am Schloss war Feldweg
RaiffeisenstraĂe war Feldweg
Namen fĂŒr das Brotende (immer wieder lecker und beliebt)
Es Liebsche
Es Knerzje
Es End
Es Rinkel ( auch bayerisch Augsburger Ecke)
Alte Begrifflichkeiten, Geschichtchen und Erinnerungen:
Scheometer = Geometer/Vermessungsbeamte
Guggerutz = Pferdezahn = Maiskörner
Es gab einen gusseiserner Brunnen in der KönigstuhlstraĂe
Knippel-Eck = Wo Familie Kranz wohnt war das HĂ€uschen wo Schlossangestellte vertrimmt wurden, wenn sie nicht gehorcht haben.
Wisst Ihr was âe Prenkâ is? Das ist eine Zinkwanne!
FrĂŒher musste man montags um 9 Uhr kĂŒndigen, wenn man kĂŒndigen musste oder wollte
Wisst Ihr, was ein altbewĂ€hrtes Heilmittel bei Arthrose ist? RegelmĂ€Ăig Melkfett dick auftragen und gut einmassieren!
Wisst Ihr jetzt e bisje mehr ĂŒber Lörzweiler?
Eine afrikanische Volksweisheit sagt: âWenn ein alter Mensch stirbt, geht eine Bibliothek in Flammen auf!â. Ganz sicher gibt es noch endlos viele wundervolle Geschichten, die uns mit Staunen, Bewunderung, Verwunderung ĂŒberraschen und auch zum Nachdenken anregen. Hinhören, zuhören, aufschreiben, weitergeben! Das kann ich nur empfehlen. Wir hatten wirklich tolle Stunden zusammen! Vielen Dank fĂŒr die Offenheit derjenigen, die den Senioren-Babbelkreis zu dem gemacht haben, was hier zu lesen ist! Vergeltâs Gott, dass wir diesen Einblick in die gute alte Zeit haben durften!
Es war mir ein ganz besonderes VergnĂŒgen!
Sabine Gauly